Hanna Schygulla beteiligte sich am Projekt Requiem
14.05.2010 13:36 |
Русское Зарубежье
Sie ist immer herzlich willkommen in Moskau: Hanna Schygulla, nach Marlene Dietrich wohl die bekannteste deutsche Schauspielerin. Keine "preussische Diva blond wie
Stahl", sondern einfach blond, klug, reizend und ueberraschend nah, der Inbegriff aller Frauen. Eine grosse Kuenstlerin, die bereits auf der aktuellen deutschen Buehne verkoerpert
und nachgeahmt wird, wie z.B. in der Inszenierung der Muenchner Kammerspiele "Die Ehe der Maria Braun ".
Diesmal kam Hanna Schygulla in die russische Hauptstadt zum einmaligen musikalisch-theatralischen Wohltaetigkeitsprojekt "Requiem", das am 4. Mai im Moskauer Kuenstlertheater
(MChT) praesentiert wurde. Der Regisseur Kirill Serebrennikow bezeichnete diese symphonische Performance als ein Traum, der trotz Krisen und Aschenwolken verwirklicht wurde,
und bedankte sich bei allen Mitwirkenden fuer mitfuehlende Herzen, hoechsten Professionalismus und soziale Verantwortung. Sechs Monate dauerte die Vorbereitungsphase zu der
grossartigen Hommage an die Kriegsopfer aller Nationen. Die Musik der Trauermesse schuf der moderne Komponist Alexej Sjumak, der sich von Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono
beeinflusst fuehlt. Das Russische Nationalorchester, eines der weltbesten, und der Akademische grosse Chor wurden vom Dirigenten Theodor Currentzis musikalisch geleitet. Kuerzlich
dirigierte Currentzis die atonale Oper "Wozzeck" am Bolschoi-Theater, und ausgerechnet Alban Berg haelt er fuer den Grossvater von Alexej Sjumak. Die leuchtenden Akzente zu
Musik und Videos im Hintergrund setzten die Lichtobjekte des Kuenstlerpaares Ursula Molitor/Wladimir Kusmin.
Als Vorleser mit Confiteor, Schuldbekenntnis, wurden prominente Darsteller mit einem persoenlichen Kriegsverhaeltnis eingeladen: aus Frankreich, Polen, Japan, Israel. Fuer
Russland trat der kuenstlerische Leiter des MChT Oleg Tabakow auf, und fuer Deutschland Hanna Schygulla. Sie, Vertreterin der Generation der unschuldig Schuldigen, die das
Gefuehl der Trauer sehr stark empfunden hat, wollte mal in Deutschland solch ein Projekt anfangen, leider waren die Leute nicht voll mit dabei. In ihrem selbstgeschriebenen
Text zum "Requiem " erzaehlte Schygulla ueber ihr Leben und rezitierte Gedichte von Bertolt Brecht und von seinem Landsmann, dem Oberschlesier Joseph von Eichendorff.
1943 wurde Schygulla in Oberschlesien geboren, eigentlich sollte sie Dagmar heissen. Bei der Flucht wurden sie und ihre Mutter dadurch gerettet, dass die kleine Hanna die
Sowjetsoldaten auf Polnisch um Essen bat. In Muenchen wurde sie von den Schulkameraden als "Fluechtlingsmaedchen" und "Polen-Matz" beschimpft. Ihr, aus dem Krieg zurueckgekommener
Vater wiederholte damals immer wieder: "Das Leben ist nichts wert". Sie hingegen wollte immer leben. Schygulla sprach erschuetternd: ueber das Leben und ueber die Schuld.
Die deutsche Diva, die oft nach Russland kommt.
Und zum Schluss des Requiems wirkten die Worte "Ewiges Andenken", von den Teilnehmern in mehreren Sprachen vorgetragen, wohl maechtiger als eine Kriegsparade.
T.D.: Frau Schygulla, welche ihrer Kriegsrollen ist Ihnen besonders nah? Willie in "Lili Marleen", Maria Braun in "Der Ehe der Maria Braun" (beide Filme von Rainer Werner
Fassbinder) oder Magda Goebbels aus dem spanischen Streifen "Das Maedchen deiner Traeume? "
H.Sch.: Natuerlich "Lili Marleen" und "Die Ehe der Maria Braun", das waren zwei Rollen, die sozusagen das Leben unserer Muetter haetten sein koennen.
T.D.: Im russischen Film "Die tatarische Prinzessin" (2009, zum 120-jaehrigen Jubilaeum von Anna Achmatowa, Regie: Irina Kwirikadse) haben Sie Anna Achmatowa gespielt.
Hoffentlich wird mal irgendwann die russische Poesie in ihre Konzerte einbezogen?
H.Sch.: Achmatowa kann man schwer uebersetzen, habe ich gehoert. Bis jetzt nicht, aber es waere durchaus etwas, was schoen waere, es einmal zu machen.
T.D.: Vor einigen Jahren haben Sie mal erwaehnt, dass Sie gerne mit dem russischen Regisseur Alexander Sokurow zusammenarbeiten wuerden. Kann man nun sagen, dass mit dem Film
Faust von Sokurow Ihr Traum in Erfuellung gegangen ist?
H.Sch.: Na ja, nur ein Koernchen haben wir in die Erde versenkt. Sokurow hat eine kleine Rolle fuer mich erfunden im "Faust". Eigentlich keine Rolle fuer Star. Aber immerhin
hat er das gemacht.
T.D.: Gibt es noch weitere russische Plaene: Konzerte in Russland, Filme?
H.Sch.: Nicht, das ich wuesste, aber ich hoffe schon. Nichts konkretes, aber ich hoffe.
T.D.: Frau Schygulla, Sie sind nicht zum ersten Mal in Moskau?
H.Sch.: Nein, ich war schon oefters hier.
T.D.: Welcher Besuch hat Sie besonders tief beeindruckt?
H.Sch.: Der erste damals, 1985, als wir "Peter den Grossen" (eine USA-Serie, in der H. Sch. Katharina spielt) gedreht haben. Da war ich oft hier, nicht nur in Moskau,
sondern auch im damaligen Leningrad, Susdal. Das war ein langer Aufenthalt. Uebrigens hatte ich viel Kontakt zu den Russen von der europaeischen Seite der Produktion. Eigentlich
war ich die einzige von den Europaeerinnen, die immer mit den Russen im Kontakt war.
T.D.: Sie haben in dem Theaterstueck des schlesischen Nobelpreistraegers Gerhart Hauptmann gespielt. Und haben Sie mal Schlesien, Ihre Heimat und auch die von Hauptmann, besucht?
H.Sch.: Ja, ja. Ich war schon zweimal dort. Einmal mit meinen Eltern, und einmal bei einem Konzert. Und da wurde mir alles gezeigt. In Chorzow selber, das frueher Koenigshuette
hiess, da haben sie alles genau erkundigt, wo, in welchem Haus ich geboren bin, welches Kindermaedchen mich getragen hat, eine inzwischen alte Frau, und wo mein Grossvater
beerdigt ist. Alle diese Dinge wurden mir gezeigt.
T.D.: Und was koennten Sie ueber die musikalische Seite des Projekts "Requiem" sagen?
H.Sch.: Ich glaube, dieses Projekt ist eine grosse Ausnahmeerscheinung. In Deutschland ist man da weiter in diesem Punkt. In Russland ist man mit der zeitgenoessischen Musik
erst am Anfang und noch nicht bis zum Publikum vorgedrungen.
T.D.: Frau Schygulla, vielen Dank fuer das Gespraech.
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